• Dicra

    @cdvolbers sagte in Politik, Kunst und der ganze Rest:

    Technisch gesehen zwei Aussagen, in denen du deine persönliche Präferenz in eine vermeintlich unangreifbare Behauptung verpackst, die ich - und das ist meine persönliche Präferenz - nicht so stehen lassen kann.

    Also - ja, ist meine persönliche Präferenz. Bei faktisch nicht verifizierbaren Aussagen wie dieser, bei denen mir aber nicht bewusst ist, dass es da Widerspruch geben könnte, lasse ich das “mMn” gerne mal weg, und das war so eine. Ich achte in Zukunft drauf.

    Nein, Figuren benötigen keine Daseinsberechtigung. Sie dürfen überflüssig sein und trotzdem Spaß machen. Und letztendlich: wer sagt denn, dass Kunst befriedigend sein soll? Ich fand es nicht befriedigend, dass Ned Stark stirbt. Ich bin wütend in unserer Wohnung auf- und abgegangen.

    Na, ich glaube, du interpretierst meine Ansichten aber auch enger, als sie sind.
    Nun ist ja das von mir geschriebene “sie müssen dem, was erzählt werden soll, weiterhelfen” so schwammig wie nur was. Wer sagt denn, dass ein Charakter, der einfach nur Spaß machen soll und an dessen Handlungen man sich erfreuen kann, davon nicht umfasst wäre? So eng sind die von mir bemühten Kriterien gar nicht, und sie verlangen auch nicht, jede Figur straff an den Plot zu knöpfen. Vielleicht soll ja manchmal auch nur einfach ein Storyteil erzählt werden, wo eine Figur aufgrund ihrer Handlungen oder ihres Charakters Spaß macht?

    Und “befriedigend” ist wohl in der Tat nicht das richtige Wort. Das war mein Versuch, zusammenfassend ausdrücken, dass ein Werk in seiner Gesamtheit auf mich unausgegoren bis widersprüchlich wirkte und ich deshalb nach dem Schauen nicht den Eindruck hatte, etwas Sinnvolles mit meiner Zeit angestellt zu haben.

    Gerade unter “Linken” wird das nicht einfach geschluckt, sondern heftig kritisiert, weil es eben genau diese Art von Queerbaiting ist, die der Repräsentation eher entgegenwirkt. Ein für mich sehr persönliches Beispiel ist Brooklyn Nine-Nine, in der relativ plötzlich eine Figur ihr Coming Out als bisexuelle Frau hat. Der ganze Arc ist ein wenig awkward und wirkt eher wie ein afterthought - auf mich. Ich hätte es besser gefunden, wenn es anders gemacht worden wäre - etwa durch einen Zusatz zum Cast, die dann Gefühle in dieser Figur weckt und zu einer allmählichen Entdeckungsreise führt, die wir alle mitverfolgen können.

    Ja … aber das ist doch ganz wunderbar, dass das offenbar über politische Lager hinweg ähnlich gesehen wird? Bei der Sache mit Disney kommt ja noch obendrauf, dass diese Szene frecherweise in allen Ländern unauffällig rausgeschnitten wurde, in denen alternative Liebe nicht gern gesehen ist. Dennoch wurde von diversen Medienoutlets geschwärmt, dass nun Star Wars endlich mehr Leute repräsentieren würde.

    Man könnte auch fast der Meinung sein, dass die von dir benannten “besser” gelungenen Werke deshalb keine Öffentlichkeit erfahren, weil das Hollywood & Co. daran hindern würde, auf solch billige Weise die besagten “Woke Points” abzuernten.

    Es lässt sich auch ignorieren, niemand zwingt einem etwas auf.

    Na, das ist aber manchmal schwierig. Zum Beispiel war und bin ich großer Star Wars Fan und … na ja.

    Lange Rede, kurzer Sinn: ich hänge mich an diesem ungeschickt formulierten bzw. undifferenzierten Post auf. […] Ich glaube fest daran, dass Standards in der Kunst nur dazu da sind, um Menschen aus dem Kunstbetrieb zu halten, die Mensch dort nicht haben will. Wenn ich dann davon lese, dass Figuren so und so sein müssen und anscheinend nichts anderes daneben gelten darf, springen bei mir ein paar Sicherungen raus.

    Ich glaube, in dem letzten Punkt werden wir uns aber einfach nicht ganz einig. Denn ich bin ja in erster Linie Kunstkonsument (und in bisher völlig unbedeutendem Rahmen Produzent), und als solcher habe ich auch geschrieben. Dabei geht es nicht darum, irgendeinen Kunstproduzenten aus diesem Bereich zu vertreiben (ich kenne auch so gut wie keine, also was für ein Interesse sollte ich daran haben), sondern sämtliche Kunstproduzenten zu Ergebnissen anzuspornen, die auf mich den Eindruck eines durchdachteren, sinnigeren Werkes machen.

    Verfasst in Schreibhandwerk weiterlesen
  • Dicra

    @hollarius sagte in Gendern in Romanen:

    Ähnlich ist es zum Beispiel mit Begriffen für Geschlechtsorgane und für Sex. Da gibt es wenig, was auch nur halbwegs angenehm und bejahend klingt.

    Ganz ernsthaft: Da sollte man wirklich mal was machen. Es kann doch nicht sein, dass man sich in der Kiste fast gezwungen sieht, auf andere Sprachen auszuweichen, weil Deutsch da nur die Auswahl zwischen “wissenschaftliche Abhandlung” und “nicht unter 2,5 Promille ertragbar” hat. Ich glaube, grundsätzlich würde ne Reform in der Sache ne Menge Befürworter haben.

    Aber ich habe sowieso seit langem die Theorie, dass die deutsche Sprache insgeheim für die “Anlage B des Formblatt 3” und die “städtebauliche Planungsstelle” entwickelt wurde, und das mit Erotik zu kombinieren … uff, schwierig.

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  • Dicra

    Definitiv Vaiana. Und eventuell auch die Neuverfilmung von Rapunzel. Und wenn das zählt, dann ganz, ganz sicher auch Wall-E. Am allermeisten aber Vaiana.

    Disney hat eine Menge wunderbarer Geschichten über das Ausbrechen aus dem Gewohnten, aber für mich steht Vaiana mit dem Fokus auf die Freiheit des Meeres am meisten dafür, sogar noch mehr als Rapunzel in ihrem Turm, die ja tatsächlich Gefangene ist.

    Verfasst in Schreibnacht Montagsfrage weiterlesen
  • Dicra

    @cdvolbers sagte in Politik, Kunst und der ganze Rest:

    Es hat Jahre gedauert, bis ich eingesehen habe, dass auch andere ästhetische Werturteile neben meinen eigenen existieren dürfen, aber heute musste ich bei so vielen Beiträgen den Kopf schütteln, dass ich mir ernsthaft Sorgen mache.

    Erstmal: Twitter? Das hat mich dann doch getroffen, weil ich selbst dieser Plattform, die zu gefühlten 70% aus platten politischen Parolen in Kombination mit betonierten Echo-Bubbles besteht, aus kardiologischen Gründen fernbleibe, soweit ich kann.

    Aber was ist denn ein Faible für eine fokussierte Art des Storytellings und die Kritik an Werken, die von diesem abweichen, anderes als ein “anderes ästhetisches Werturteil”?

    Die meisten der von dir genannten Beispiele sind meines Erachtens rundherum unbefriedigende Kunst, tut mir leid. Ich habe nichts dagegen, “Regeln” zu brechen - aber wenn ich das Werk, das dabei entsteht, nicht genießen kann, dann kann ich das dennoch nicht als Erfolg werten. Und es gibt eben gewisse Muster, die mir wieder und wieder negativ auffallen.
    Und insgesamt sehe ich es natürlich nicht gern, wenn ich den Eindruck habe, dass sich prozentual mehr Kunstwerke in eine Richtung entwickeln, die meines Erachtens unbefriedigend ist.

    Das hat aber nichts damit zu tun, anderen etwas vorschreiben zu wollen - kann ich ja auch gar nicht. Ich kann nur begründen, wie ich zu meinen Ansichten komme, und vielleicht stimmt mir jemand zu. Vielleicht denkt sich auch jemand, dass er das aus diesem Blickwinkel noch nicht betrachtet hat, oder diesen Aspekt bisher unbeachtet ließ. Vielleicht erfahre ich auch Widerspruch - damit muss ich leben, wenn ich meine Meinung vertrete.

    Aber in der Kritik oder auch in der grundlegenden Ablehnung einer Sache liegt meinerseits nicht der Versuch, irgendjemandem etwas zu verbieten - sondern vielmehr, zu überzeugen, und manchmal auch einfach nur (genau wie du soeben) meiner Frustration Luft zu machen, dass sich Dinge nicht ganz so fügen, wie ich es für besser hielte.

    Was aber stimmt, und wo ich voll mit dir konform gehe: Politik spaltet. Immer und überall. Ich habe aber selten einen Ort gefunden, wo darüber insgesamt derart sachlich diskutiert wurde wie hier - und deshalb gehe ich fest davon aus: Wenn der Thread abgekühlt ist (falls er das nicht eh schon ist), werden wir auch ohne Probleme zum Schreiben zurückfinden und uns dort weiterhin zu immer produktiveren Ergebnissen antreiben können, ganz gleich, ob wir in der einen oder anderen Sache eventuell unterschiedliche Ansichten vertreten.

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  • Dicra

    @hollarius sagte in Politik, Kunst und der ganze Rest:

    @dicra sagte in Politik, Kunst und der ganze Rest:

    Das ist es mMn, was letztlich einen runden Charakter ausmacht.

    ja, das kommt auch vor, die Prota ist manchmal grob, bossy und eher undiplomatisch, streitet sich mit einem Lehrer und besonders mit ihrer alleinerziehenden und etwas lieblosen Mutter. Ihr Freund im Rolli ist etwas feige und behütet, er kapituliert manchmal zu früh und spricht unangenehme Wahrheiten nicht aus, belügt sich auch manchmal selbst.
    Ich gebe aber gerne zu, dunkle Seiten interessieren mich nicht so sehr. Ich mag es, nicht über Arschlöcher zu schreiben.

    Das klingt schon viel mehr nach zwei Leuten, mit dem ich als Leser eine Beziehung aufbauen kann, als deine erste Beschreibung. Ich achte zwar auch auf Äußerlichkeiten (ich kann mich aus Gründen mit kleinen Leuten sehr gut identifizieren), aber das ist für mich nur ein sehr kleiner Teil des Ganzen.
    Auch wenn du mich überzeugt hast, dass das bei dir nicht so ist - es gibt einfach einige Werke, bei denen man das Gefühl bekommt, der Autor hätte einfach ein weißes Blatt Papier lackiert und sei dann der Meinung gewesen, das würde als Charakterisierung ausreichen, und das finde ich immer auch irgendwo schade, weil sich dieser rudimentäre Charakter dann auch nicht wie eine natürliche Ergänzung des Ganzen anfühlt - was doch eigentlich gerade Sinn der Sache war.

    Charaktere müssen aber auch für mich gar nicht Arschlöcher sein (auch, wenn ich zugegebenermaßen ein Faible für gewitzte Arschlöcher habe). Aber eine Schwäche kann ja auch einfach nur meinen … zB ist meine Hauptprotagonistin überdurchschnittlich willensstark, talentiert und konsequent. Sie ist aber auch ungestüm, eigenwillig und häufig störrisch bis zur Selbstschädigung. Das ist nicht unbedingt ein Arschloch, aber einfach … ein bisschen Ambivalenz, ab und an.

    Am Liebsten hab ich persönlich Charaktere, die vom einen Leser vielleicht geliebt und vom anderen gehasst werden. Aber das gehört wahrscheinlich in einen anderen Thread.

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  • Dicra

    @hollarius sagte in Gendern in Romanen:

    @dicra sagte in Gendern in Romanen:

    Wenn die Leute im Rahmen der in Bewegung befindlichen gesellschaftlichen Veränderungen merken “oh, das, was wir sagen, spiegelt unsere Lebensrealität nicht wieder”, dann wird sich die Sprache auf ganz natürliche Weise in eine Richtung bewegen, die dem besser entspricht.

    Ja, das ist eine Linie, die von konservativer Seite gerne vorgeschlagen wird. Ist aber nur ein Rückzugsgefecht. Sprache wird quasi nie hinterher geändert, wenn die Verhältnisse sich schon geändert haben.

    Meistens wird sie geändert, während die Verhältnisse sich gerade ändern, weil man nach Methoden sucht, bestimmte neu erkannte Werte besser umzusetzen. ^^ Sprache geht selten vorweg, weil sich Sprache in der Regel nicht durchsetzt, wenn sie sich für eine klare Mehrheit falsch anfühlt. Es hat nicht von heute auf morgen jemand erkannt, dass [N-Wort] ein hässliches Wort ist und mit dessen Ächtung Diskriminierung reduziert. Vielmehr wurde das Bewusstsein für die Notwendigkeit nichtdiskriminierenden Verhaltens größer, woraufhin sich das in einem Bedürfnis niederschlug, auf bestimmte Wörter zu verzichten.

    Sowieso passt die Parallele nicht, weil es sich dabei um ein Wort handelt, und die Gendersprache jedenfalls in der radikalen Sternchen/Doppelpunktform so ziemlich die gesamte Grammatik über den Haufen wirft.

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  • Dicra

    @hollarius sagte in Politik, Kunst und der ganze Rest:

    @dicra sagte in Politik, Kunst und der ganze Rest:

    Da die Diskussion stark auf Diversität hinausläuft: In meinem ersten Drehbuch, das immer noch darauf wartet, dass ich endlich mit dem Rewrite weitermache, gibt es einen sehr diversen Cast.

    Ich habe mir die Beschreibungen durchgelesen und während ich durchaus zu jedem Charakter ein Bild im Kopf hatte, ist mir bei deinen Beispielen Folgendes aufgefallen: Soweit sie Schwächen haben, kommen die von außen. Depressionen sind eine Krankheit, Mutismus auch, eine Behinderung ebenfalls. Und das mit dem Fußball klingt erst einmal wie eine Randnotiz. Da ist wenig, was sich aus ihrer persönlichen Wesensart ergibt.

    Ich wüsste gern: Sind sie ambitioniert? Wovon träumen sie? Wonach sehnen sie sich? Aber vor allem: Haben sie eine dunkle Seite? Sind sie manchmal rücksichtslos, ungeduldig, übermütig, faul, eifersüchtig, rachsüchtig, gehässig, nachtragend, zu vertrauensselig, arrogant?

    Das ist es mMn, was letztlich einen runden Charakter ausmacht. Dass seine Schwächen ein Spiegel seiner Stärken sind. Von den meisten deiner Charaktere habe ich bisher nur erfahren, dass sie gutherzig sind und gewisse Talente haben/nicht haben.

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  • Dicra

    @rebellenkatze sagte in Gendern in Romanen:

    Das stimmt wohl. Automatisch tut sie das nicht. Sie wirkt aber. Und das ist der Punkt. Sprache projiziert Bilder im Kopf.

    Das tut sie, das bestreite ich gar nicht. Ob der Effekt dieser Bilder so stark ist wie erhofft, bleibt dennoch abzuwarten ^^

    Dir ist klar, dass der Diskurs, den wir hier führen, Teil eben dieser Veränderung ist, oder? Es ist nicht so, als müssten wir noch darauf warten; gendergerechte Sprache findet bereits Eingang. Sonst gäbe es auch nicht den aktuellen Widerstand eben dagegen zu beobachten ;)

    Na, da würde ich widersprechen. Denn die gendergerechte Sprache soll doch gerade nicht dazu dienen, einen Zustand zu beschreiben, der in der Realität schon eingetreten ist (vollkommene Gleichheit), sondern sie soll dazu dienen, die Entstehung dieses Zustands zu beschleunigen - hast du selbst an anderer Stelle gesagt. Das ist das genaue Gegenteil dieser Entwicklung: Hier soll mit Sprache Realität verändert werden, und nicht Sprache durch Realität.

    Erkennbar ist das auch daran, dass die Impulse zur Gendersprache nahezu ausschließlich aus dem akademischen oder sogar aktivistischen Bereich kommen und es sich nicht um eine graduelle Entwicklung, sondern um eine sehr umfassende Sprachumstellung handelt.

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  • Dicra

    @rebellenkatze sagte in Gendern in Romanen:

    @dicra

    Spielen wir das bei der Gendersache doch mal kurz durch. Nehmen wir der Einfachheit halber an, die Gendersprache sei überhaupt ein geeignetes Mittel, die Gleichbehandlung zu verwirklichen (auch darüber lässt sich trefflich streiten).

    Tatsächlich lässt sich darüber längst nicht mehr streiten ;)
    Sprache beeinflusst Denken und Denken wiederum Handeln.

    Ich kenne zu dem Thema diverse Versuche, wo von einem “Architekten” gesprochen und dann gefragt wurde, ob der Angesprochene an einen Mann oder eine Frau denkt. Meistens war es ein Mann.

    Daraus abzuleiten, dass ein Sprachumbau auch das Einstellungsverhalten von Arbeitgebern und die Interessen junger Mädchen beeinflusst, ist aber evtl. etwas weit gegriffen, weil wir ja in anderen Ländern ähnliche Probleme mit der Gleichstellung der Geschlechter sehen, wie wir sie hier auch haben - dabei gibt es gerade im Englischen sehr viel elegantere Gendermethoden als hier, und dennoch ist der Gender Pay Gap in England ähnlich groß.

    Wie groß der Effekt einer Sprachreform in dieser Hinsicht sein könnte, lässt sich doch überhaupt nicht seriös prognostizieren. Sprache schafft nicht automatisch Realität.

    Wenn du da mehr weißt, ich lasse mich auch gerne eines Besseren belehren. :eyes:

    Sprache ist tatsächlich an der Stelle der Punkt, den es anzupacken gilt, wenn wir versuchen das Denken zu ändern und dazu gehört eben z.B. auch urteilendes Denken, wie über bestimmte Dinge gedacht wird.

    Die Macht der Sprache wird immer wieder betont, aber es gibt durchaus Entwicklungen, die dagegensprechen. ZB ist “Inklusion” eigentlich ein sehr wertneutrales Wort - und trotzdem bekomme ich immer häufiger mit, wie bei einer Sache, die nicht funktioniert, scherzhaft der “Inklusionsmitarbeiter” verantwortlich gemacht wird. Wieso? Weil Behinderungen gesamtgesellschaftlich negativ konnotiert sind, egal, wie man sie nennt. Gleiches gilt für Begriffe wie “besondere Menschen” oder “Patient”.

    Hinzu kommt auch, dass es nicht stimmt, dass nur Juristen mit gegenderter Sprache in Gesetzestexten konfrontiert wären.

    Das hab ich auch nicht behauptet; hab sogar Beispiele genannt für zusätzliche Berufsgruppen, bei denen das zutrifft.

    Da kann der Volljurist noch so sehr die “weibliche Form mitgedacht haben” - so hart es klingt, in bildungsfernern Schichten, wir das Wort wortwörtlich genommen und nix mehr mitgedacht. Ergo ist es tatsächlich eben gerade um Anwendungsfehler und Verständnisproblemen zu begegnen so wichtig, das, was gemeint ist, auch zu benennen.

    Das ist einfach falsch. Die Verwendung des generischen Maskulinums hat noch nie bei einem Staatsbediensteten ernsthaft zu der Vorstellung geführt, Gesetze seien nicht allgemeingültig. Du wirst keinen Polizisten auf der ganzen weiten Welt finden, der einen Gesetzestext anguckt, da “Täter” liest und dann schulterzuckend der Transperson die Handschellen öffnet.

    Allerdings regeln Gesetze eben nicht alles, und deshalb kann es bei solchen Dingen wie Anrede, etc zu Schwierigkeiten kommen. Das hat aber wie gesagt mit Verständnisschwierigkeiten des Gesetzes rein gar nichts zu tun, sondern im Regelfall mit fehlendem behördlichen Einfühlungsvermögen, oder einfach mit Aufwandsvermeidung.

    Gerade am Beispiel vom Polizeialltag: […] Erst letztens habe ich da z.B. einen Bericht gelesen, wo ein Transfrau Diskriminierung erfahren musste und auf der Polizeistation, die ganze zeit als “er” angesprochen wurde, obgleich mehrfach darauf hingewiesen, dass “sie” gewünscht wäre und auf Bitten auch keine Polizistin zu den Gesprächen hinzugeholt wurde.

    Das ist unangenehm, aber nochmal: Das hat nichts mit irgendeinem Gesetz zu tun. Hier sind ausschließlich die Antidiskriminierungsgesetze, denen die Polizei unterworfen ist, anwendbar - und die verlangen je nach Auslegung eine bestimmte Anrede. Explizit steht das da nicht drin. Diese Uneindeutigkeit hängt nicht ansatzweise mit dem generischen Maskulinum zusammen.
    Ein Weg, um so etwas zu vermeiden, wäre der Erlass von Verwaltungsvorschriften zum Thema “Anreden”.

    Wenn die deutsche Sprache es (noch) nicht hergibt, dass solch eine Sensibilität nicht dazu führt, dass alles noch komplexer wird, dann ist das eine Aufgabe für Sprachentwicklung: nämlich die Sprache so zu gestalten, dass es ohne Komplexitätssteigerung möglich gemacht wird.

    Und ich glaube, umgekehrt wären die Chancen viel größer, dass ein Schuh draus wird: Wenn die Leute im Rahmen der in Bewegung befindlichen gesellschaftlichen Veränderungen merken “oh, das, was wir sagen, spiegelt unsere Lebensrealität nicht wieder”, dann wird sich die Sprache auf ganz natürliche Weise in eine Richtung bewegen, die dem besser entspricht.

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  • Dicra

    @hollarius sagte in Politik, Kunst und der ganze Rest:

    Und das zweite Beispiel zeigt, warum es mir zum Beispiel wichtig ist, queere Figuren zu schreiben, weibliche Figuren in den Mittelpunkt zu stellen, dicke Menschen nicht nur als Witzfiguren zu besetzen:

    Da hätte ich eine Frage an dich: In einer Fanfiction, die ich vor meinem Roman geschrieben habe, taucht ein Charakter namens Barnabas Cuffe auf, den ich persönlich für den besten halte, den ich je geschrieben habe.

    Dieser Charakter hat eine äußerst tragische Vergangenheit; seine ganze Familie ist in seiner Kindheit ermordet worden. Aufgrund dieser Tatsache hat er sich in einen krankhaften Hass gegen den von ihm wahrgenommenen Schuldigen hineingesteigert (Dumbledore), den er um jeden Preis gestürzt sehen will, wofür er auch vor Erpressung und Manipulation nicht zurückschreckt. Der Mann ist außerordentlich gewitzt und verliert in der ganzen Geschichte kein einziges verbales Duell. Außerdem ist er in der Geistesmagie der versierteste Magier, der in der Story auftaucht. Er führt durch diverse Fehlentscheidungen Voldemort fast zum Sieg, erkennt dann im allerletzten Moment seine Fehler, und opfert sich selbst, um die entscheidende Wendung zum Guten herbeizuführen.

    Ach ja, und er ist stark adipös. Die Frage ist: Ist der Charakter deshalb besser, schlechter oder sogar diskriminierend?

    Wenn es heute immer noch provoziert, wenn es schwarze Elfen, weibliche Actionheldinnen und schwule Ritter gibt, dann zeigt das, wie groß die Vorurteile immer noch sind, wie tief die Diskriminierung von Schwarzen, von Frauen und von Homosexuellen in unserer Gesellschaft verankert sind. Und da ich da was gegen habe, stehe ich total darauf, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten.

    EDIT: Also gut, ich nehm’s zurück, gerade deinen erklärenden Post gelesen.

    Verfasst in Schreibhandwerk weiterlesen

Es scheint als hättest du die Verbindung zu Schreibnacht verloren, bitte warte während wir versuchen sie wieder aufzubauen.