Wilhelm geht in gewisser Weise einen Deal ein. Der Dealpartner weiß zwar noch nichts von seinem “Glück”, aber … naja, lest selbst:
«Er wird nicht sterben. Bestimmt nicht», flüsterte er. «Dafür hat er noch viel zu viele Pläne. Und schließlich will er noch meine Tochter heiraten. Dann stirbt man nicht so einfach.»
Louises Knie gaben nach. Albert kämpfte um sein Leben. Erst langsam drangen die Worte ihres Vaters zu ihr durch. Hatte er gerade das Wort ‚heiraten‘ in den Mund genommen?
«Aber du hast doch … wie bitte? Hast du deine Meinung geändert?», fragte sie.
«Vielleicht hat Albert es unterbewusst heute Nacht geschafft, mich von seinen Qualitäten zu überzeugen», sagte Wilhelm. «Du stimmst doch mit mir überein, dass man besonders viel Wahres sagt, wenn man nicht Herr seiner Sinne ist, oder?»
«Was soll das heißen?», fragte Louise.
«Er hatte Fieberträume. In denen wollte er dich vor einer Gefahr schützen», sagte Wilhelm. «Natürlich ist es mir auch wichtig, wie es mit meinem Geschäft weitergeht. Aber da du einen Bruder hast und der Mann, mit dem du eigentlich eine Familie gründen wolltest, nicht mehr in Köln lebt, ist es vielleicht nicht ganz unwichtig, dass du glücklich bist.»
«Wir dürfen also tatsächlich heiraten?», fragte Louise.
Wilhelm schaute an ihr vorbei.
«Eines nach dem anderen. Lass Albert erst einmal gesund werden. Ihr habt noch so viel Zeit. Wie alt ist er? Zweiundzwanzig?»
Louise nickte.
«Siehst du. Und du bist zwanzig Jahre alt. Lass ihn erst einmal seine Meisterprüfung machen, dann sehen wir weiter.»
Er seufzte. «So oft, wie sich seine Wege in letzter Zeit mit unseren gekreuzt haben und so hartnäckig, wie er um dich kämpft, scheint ihr füreinander bestimmt zu sein. Schicksal. Dem kann man nicht davonlaufen. Gott scheint einen Plan mit euch beiden zu haben.»
Aus dem Augenwinkel sah Louise, wie ihrer Mutter vor Überraschung der Mund offenstand.
«Das ist jetzt auch für mich neu», sagte sie.
Wilhelm vergrub sein Gesicht in Louises Haaren.
«Die Meisterprüfung. Das ist meine Bedingung. Wenn er die besteht, habe ich nichts dagegen, dass du seine Frau wirst», sagte er. «Aber sei dir bewusst, dass jetzt eine harte Zeit vor ihm liegt. Vor dir auch. So etwas wie dieser Brand verändert einen Menschen. Er wird für sein weiteres Leben noch sehr viel kämpfen müssen. Aber wer weiß? Vielleicht hilft ihm die Aussicht als Ansporn.»
Louise fiel ihrem Vater so stürmisch um den Hals, dass er taumelte. In ihrer Freude bemerkte sie nicht, dass Dr. Lessing aus dem Zimmer gekommen war. Er wischte seine Hände an einem Tuch ab. Der Ausdruck in seinem Gesicht war ernst.
Wer nicht traurig sein kann, hat im Leben nie getanzt (Herbert Grönemeyer - Leb in meiner Welt)